

Chaotische Bauabläufe kann und will sich kein Unternehmen mehr leisten. Die Digitalisierung und BIM halten immer mehr Einzug in die Baubranche. Aber Digitalisierung beginnt in den Köpfen der Führungskräfte und Mitarbeiter. Das A und O ist die Offenheit für ein flexibleres und offeneres Miteinander – „agiles Mindset“ ist das Stichwort. Lesen Sie hier, wie Sie Ihre Mitarbeiter ans agile Projektmanagement am Bau heranführen und die Basis schaffen, um digitalisierte Prozesse wirklich zu verankern und ihre Vorteile voll zu nutzen.
Schneller, besser, effizienter: Das erheben immer mehr Unternehmen der Bauwirtschaft zu ihrem Motto. Bauabteilungen der produzierenden Industrie entdecken „Agil“ und „Lean“ für die Planung und Durchführung ihrer Bauvorhaben. Agile Unternehmenskultur wird oft mit Methoden wie Design Thinking, Scrum oder Kanban verbunden. Ganz am Anfang aber steht das agile Mindset, dessen Werte Vertrauen, Feedbackkultur und Selbstverantwortung sind.
Agiles Mindset schaffen
Als Meilenstein in der Geschichte des agilen Managements gilt ein denkwürdiges Skiwochenende. Im Februar 2001 trafen sich 17 renommierte IT-Spezialisten und Softwareentwickler in einer Berghütte in Utah, USA, um Ski zu fahren. Man kam auf die steifen und unflexiblen Arbeitsprozesse der Software-Branche zu sprechen. An diesem Wochenende entstand das „Agile Manifest“, das bis heute die Leitsätze des agilen Mindsets definiert:
- Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
- Funktionierende Produkte sind wichtiger als umfassende Dokumentation
- Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen
- Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen eines Plans
Tatsächlich entstand das Manifest als Reaktion auf die Erkenntnis, dass klassische Denkweisen und lineare Projektmanagement-Methoden nicht geeignet sind, um adäquate Software in kurzer Zeit zu entwickeln – im Gegenteil, sie verhindern es sogar. Trotz seines Ursprungs in der Softwareentwicklung funktionieren die Leitsätze des Manifests auch in anderen Branchen.
Ja, man kann sogar behaupten, dass gerade die Baubranche stark von den Werten des agilen Mindsets profitieren könnte, denn die Parallelen mit der Software-Branche sind unübersehbar. Schließlich haben Softwareprojekte – genau wie Bauprojekte – eine hohe Komplexität, die Entwicklung verläuft sehr dynamisch, es braucht viele unterschiedliche Kompetenzen – und wer tut sich schwerer in der offenen, transparenten Zusammenarbeit und der Erfassung von Kundenbedürfnissen als Softwareentwickler? Auch in der Baubranche wird oft am Bauherrn vorbeigearbeitet, die vielen Gewerke, Projektbeteiligten und Aufgaben führen zu unübersichtlichen Terminplänen, die den Durchblick eher erschweren, als dass sie für Klarheit auf der Baustelle sorgen. Die Komplexität der Informationsflut mündet oft in ein „Aneinander Vorbeiarbeiten“, also in die Verschwendung von Zeit und Ressourcen.
Agil heißt Golf statt Bogenschießen
Wie können Sie also beginnen, die vier Hauptwerte des agilen Mindsets – Zusammenarbeit, schlanke Prozesse, Kundenorientierung und Flexibilität – in die Praxis umzusetzen? Um den Unterschied zur traditionellen Herangehensweise an Projekte zu verdeutlichen, bietet sich ein Vergleich mit dem klassischen Bogenschießen an: Bevor man den Bogen spannt, werden in Ruhe das Ziel, die Rahmenbedingungen und die Entfernung zum Ziel definiert. Schließlich legt man an, den Zielpunkt fest im Blick. Man konzentriert sich, richtet den Bogen aus und schießt schließlich den Pfeil ab. Trifft er ins Ziel, gilt die Mission als erfolgreich.
Beim agilen Projektmanagement am Bau läuft das etwas anders. Hier agiert man eher wie ein Golfspieler. Der prüft kurz die Bedingungen, hebt den Schläger und schlägt den Ball zum ersten Loch. Je nachdem, wo der Ball landet, plant er von da aus seinen nächsten Schlag. Erst beim zwölften Loch hat er sein Gesamtziel erreicht. Der Prozess ist also in kleine Schritte untergliedert und der Spieler kann seine Technik immer wieder überprüfen und optimieren.

Agiles Projektmanagement am Bau
Auf das Projektmanagement am Bau übertragen könnte eine Umsetzung der Leitsätze des agilen Manifests folgendermaßen aussehen:
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- Ziel in viele kleine Schritte unterteilen: Der Weg ist das Ziel. Natürlich sollte man das Endergebnis fest im Blick haben, aber kleine Projektschritte erlauben es, immer wieder nachzubessern und sofort Fehler zu korrigieren, die in späteren Projektphasen nicht mehr auszubügeln wären und zu weiteren Fehlern geführt hätten.
- Immer wieder nachjustieren: Beim agilen Projektmanagement am Bau gehören Unvorhergesehenes oder Änderungswünsche mit zum Konzept. Statt Meilensteine zu verschieben, lieber das zeitnahe Gespräch mit dem Auftraggeber suchen.Der Projektplan wird immer wieder angepasst und damit auch Leistungsumfang und Projektziel weiter konkretisiert.
- Transparentes Arbeiten: Bauherren sollten bei allen Schritten der Planung und Ausführung mitgenommen und abgeholt werden, bspw. durch häufige Kurzbriefings.
- Dokumentation hinterfragen: Tabellen, Zahlenwüsten und Berichte über Auslastung, Projektstatus, Budget, Output und KPIs erfordern mindestens so viel „Produktionsaufwand“ wie die Arbeit am eigentlichen Projekt. Und oft sind sie schlichtweg wertlos, da sie keine Konsequenz nach sich ziehen. Denken Sie noch mal über Ihr Reporting-Modell nach und fokussieren Sie sich auf schlanke Informationen, die nötig sind, um konkrete Entscheidungen zu treffen. Das Ergebnis ist, was zählt, nicht Dienst nach Vorschrift.
- Persönliche Kommunikation bevorzugen: Statt mailen, besser telefonieren oder persönlich treffen – auch mit einer kleinen Gruppe und dem Bauherrn. Bewährt haben sich zum Beispiel kurze morgendliche Meetings auf der Baustelle, bei denen kurz die Aufgaben des Tages durchgesprochen werden.
Offensichtlich hat agiles Projektmanagement am Bau viele Gemeinsamkeiten und Schnittstellen mit Lean Construction. Beide Methoden legen in Unternehmen die Basis, um den Sprung in die digitale Welt zu schaffen. Und beide sind in Bau- und Handwerksbetrieben jeder Größe anwendbar. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Kunde von NEVARIS führte sein erstes agiles Pilot-Projekt durch. Auf die Aufforderung des Projektleiters, „Takte“ zu planen, reagierte das Team und auch die Führung zunächst skeptisch. Nach Beendigung des Projekts hatte sich der Wind gedreht: Der Großteil der Beteiligten gab zu, dass die Abläufe viel effizienter gewesen seien. Die Prozesse seien fließender ineinander verlaufen und hätten Raum geschaffen für eine deutlich höhere Produktivität.
Wenn Sie eine höhere Digitalisierungsreife für Ihr Unternehmen wollen, lassen Sie sich also auf das Abenteuer „agiles Mindset“ ein. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie sofort das Unterste zuoberst kehren. Das Wichtigste ist für den Anfang, agile Werte und Arbeitsweisen mit Überzeugung vorzuleben. So überzeugen sie auch Mitarbeiter und machen die Bahn frei für eine erfolgreiche Implementierung neuer effizienter Arbeitsprozesse und digitaler Tools.
Möchten Sie sich und Ihr Bauunternehmen zukunftsfähig aufstellen? Gerne unterstützen wir Sie von Anfang an – nehmen Sie einfach Kontakt auf.
Autorin: Eva-Marion Beck
Bildquelle: lamontak590623/iStock via Gettyimages; NEVARIS Bausoftware GmbH/Cosima Hanebeck.