
Integration trifft auf Innovation
Immobilien der urbanen Mischnutzung prägten bereits im Mittelalter das gesellschaftliche Zusammenleben und werden heutzutage als innovative Lösung gegen den Klimawandel, den Wohnungsmangel und Co. genutzt.
Urbane Mischnutzungsobjekte kombinieren verschiedene Verwendungen wie Wohnen, Arbeiten und Freizeit in einem Gebäude oder Quartier, integrieren also verschiedene Funktionen. Diese Projekte fördern nachhaltige Stadtentwicklung, verbessern die Lebensqualität und schaffen Synergieeffekte durch die Nähe unterschiedlicher Verwendungszwecke. In diesem Blog-Artikel stellen wir Ihnen fünf innovative Immobilienkonzepte mit unterschiedlichen Ansätzen vor, die sich der urbanen Mischnutzung verschrieben haben.
Was interessiert Sie besonders?
Was versteht man unter Mischnutzung?
Der Begriff Mischnutzung wird auch häufig durch die Bezeichnung Nutzungsmischung ersetzt — bedeutet aber das Gleiche. Die Integration von Mischnutzungen wird in drei Varianten unterteilt.
1
Vertikale Mischnutzung – Die Integration von mehrfachem Nutzen in einem Gebäude.
2
Horizontale Mischnutzung – Die Integration mehrerer Konzepte innerhalb einer begrenzten Umgebung bzw. eines Gebäude-Komplexes für eine gemeinschaftliche Nutzung, etwa eine Art Stadt in der Stadt.
3
Temporäre Mischnutzung – Ein Gebäude wird zwischenzeitlich für unterschiedliche Zwecke verwendet, z.B. eine leerstehende Lagerhalle dient am Wochenende als Veranstaltungsort
Diese Konzepte setzen sich direkt mit den Herausforderungen der heutigen Zeit auseinander und liefern innovative Lösungsansätze, die als Vorreiter für die Baubranche dienen. Dabei werden die nachhaltige Stadtentwicklung und die Lebensqualität der Gesellschaft berührt und positiv beeinflusst.
Städte mit hoher Mischnutzung verbrauchen oft weniger Ressourcen, da kürzere Distanzen zwischen verschiedenen Nutzungen den Pendelverkehr reduzieren und den CO2-Ausstoß verringern.
Entwicklung der urbanen Mischnutzung
Das Konzept der urbanen Mischnutzung, auch Mixed-Use-Immobilien genannt, existiert bereits seit Jahrhunderten. Orte, an denen Wohnen, Arbeiten, Handel und Freizeit eng miteinander verknüpft waren, ermöglichten der Gesellschaft von je her einen Mehrwert zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Ein echter Vorreiter für moderne Mischnutzungskonzepte waren dabei europäische Städte des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Nachdem im 20. Jahrhundert die urbane Mischnutzung durch funktionale Trennung verdrängt worden war, erlebte sie ab den 1960er Jahren eine Renaissance.
International wird der Ansatz einer Mischnutzung heute bereits größer gedacht. Mehrstöckige Innenstädte zeigen, wie die Zukunft der Stadtentwicklung aussehen könnte. In dem Video-Beitrag der Wissenssendung Galileo werden wegweisende Umsetzungen wie bspw. in den Niederlanden beleuchtet.
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Mehr InformationenWir werfen einen Blick auf die innovativen Baukonzepte der letzten Jahre in Deutschland und durchleuchten dabei, was man aus den Best Practices lernen kann und welche Herausforderungen sich bei der Integration der Mehrfach-Nutzung ergeben können.
Welche innovativen Bauprojekte zur Mischnutzung gibt es in Deutschland?
Wir widmen uns fünf urbanen Mischnutzungen, die sich durch ihr innovatives Konzept einen Namen gemacht haben.
Erstes Hochhaus mit Mischnutzung im deutschen Manhattan
Die Skyline von Frankfurt am Main schmücken Wolkenkratzer wie keine zweite deutsche Stadt. Die Bankenstadt und Deutschlands größtes Drehkreuz im Flugverkehr beherbergt mit dem OmniTurm ein Hochhaus, das sich als erstes seiner Art der Mischnutzung verschrieben hat. Im Jahre 2019 fertiggestellt, umfasst das knapp 190 m hohe Gebäude Büros, Wohnungen, Co-Working-Spaces, einen Veranstaltungssaal, Gastronomie sowie öffentliche Bereiche und macht den Turm zu einem modernen Vorreiter-Objekt der urbanen Vielfalt.
Durch das Zertifizierungssystem LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) erhielt der OmniTurm die Platinum-Gebäudezertifizierung für nachhaltiges Bauen. LEED ist ein bei Hochhäusern weit verbreitetes Zertifizierungssystem, dass die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit der Gebäude beurteilt.
Healthcare trifft auf Hospitality
Das rund 70 Meter hohe The Zipper Hotel & Apartments in Düsseldorf verdankt seinen Namen nicht nur der einer Reißverschluss ähnelnden Außenfassade, sondern auch der Zusammenkunft mehrerer Nutzen im selben Gebäude. Gesundheit und Gastgewerbe greifen in diesem innovativen Konzept ineinander. Die Botschaft ist klar, das hybride Hochhaus umfasst ein Lifestyle-Angebot, das über die normale Beherbergung hinaus geht. Schicke Apartments mit spektakulärer Aussicht, eine moderne digitale Infrastruktur sowie eine Sport- & Healthcare-Einrichtung mit Ärzten überzeugen Kunden und machen das Mixed-Use-Gebäude zu einem Vorreiterobjekt des Baugewerbes. Der Clou: Durch eine digitale Infrastruktur, die den Gast effizient ein- und auschecken lässt und für diverse Annehmlichkeiten sorgt, kann das eingesetzte Personal sich auf die wesentlichen Aufgaben des Gastgeberseins konzentrieren und entgegnet dem Fachkräftemangel somit eine starke Antwort.
Das Zipper Hotel demonstriert, wie innovative Architektur und Technologie genutzt werden können, um nachhaltige, integrative Lebens- und Arbeitsräume in urbanen Umgebungen zu schaffen. Es setzt neue Maßstäbe in der Hotellerie und zeigt, wie die Herausforderungen moderner Stadtentwicklung kreativ angegangen werden können.
Siemensstadt Square Berlin – Ein Stadtteil der Zukunft
Das alte Industrieareal der Siemensstadt zeigt ein weiteres Projekt der urbanen Mischnutzung auf. 2018 begann für das Gelände der Startschuss für eine Siemensstadt 2.0, in der Wohnen, Arbeiten, Forschen und Produktion integriert und Innovation und Nachhaltigkeit gefördert werden sollen. Siemens selbst beschreibt das Großprojekt wie folgt: „Mit Siemensstadt Square wird das Areal zu einem klimagerechten Zukunftsort mit innovativen Neubauten und historischen Bestandsgebäuden. Optimal für die Arbeit im New Work und für smarte, agile und nachhaltige Unternehmen, die gemeinsam mit Siemens die Zukunft gestalten wollen.“ Das neue Viertel gilt als eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Europa. Bis 2035 sollen 4,5 Milliarden Euro investiert werden.
2024 fand in Berlin die feierliche Grundsteinlegung für das neue Areal statt. Für das zukunftsweisende Stadtquartier sind rund 2.700 Wohnungen, Büroflächen, Produktionsstandorte für moderne Industrie, Raum für Startups, Kunst und soziale Infrastruktur, Kitas und eine Grundschule vorgesehen. Das innovative Bauprojekt wird auf Basis des integralen Masterplans von Ortner & Ortner Baukunst umgesetzt.
Ziel der Entstehung eines neuen interaktiven Stadtviertels ist die Veränderung von Großstrukturen, die räumlich nicht mehr wachsen können, hin zu einem dichten, vernetzten Campus, der durch Vielfalt als offener und pulsierender Raum funktioniert. Ganz dem Motto „Die Mischung machts“ soll sich jenes Unerwartbare entwickeln, dass man an der Stadt so schätzt, so Markus Penell von O&O Baukunst im Interview aus dem Jahr 2020.
Stillgelegter Flughafen blüht neu auf
Das Tempelhofer Feld in Berlin ist ein etwa 300 Hektar großes Gelände, dass immer wieder in die Schlagzeilen gerät, weil die Freifläche bisher für Bebauung trotz Wohnungsmangel in der Hauptstadt nicht genutzt wurde. Doch das Zögern hat seine Gründe, denn obwohl der Flughafen bereits seit Jahrzehnten geschlossen ist, wird das Gelände stark frequentiert. Das Areal begeistert Touristen und Berliner nicht nur aus historischen Gründen.

Der stillgelegte Flughafen erfreut sich über zahlreiche Events und ist regelmäßiger Schauplatz für Freizeitaktivitäten. Die Betonwege, eingerahmt von weiten Grünflächen, sind ein beliebter Hotspot für Sonnenanbeter, Sportler, Familien und Drachenflieger. Sowohl das Außengelände als auch das Gebäude selbst werden für Filmvorstellungen, Führungen, Veranstaltungen, Musikfestivals sowie auch Flüchtlingsunterkünfte eingesetzt.
Es gibt also immer wieder temporäre Nutzungen, die an dem eigentlich leeren und inaktiven Flughafen zum Einsatz kommen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Stimmen für eine Bebauung durchsetzen werden. Der Ansatz einer urbanen Vielfalt könnte als Kompromiss für Fürsprecher und Gegner der Bebauung zukünftig der richtige Weg sein.
Nutzungsmischung ahoi!
Ein ebenfalls sehr prominentes Beispiel der urbanen Mischnutzung ist die Hamburger HafenCity. Die Entwicklung der Hamburger HafenCity ist ein Beispiel für moderne Stadtplanung und urbane Transformation. Auf einer Fläche von 157 Hektar entsteht seit den 1990er-Jahren ein neuer Stadtteil, der Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit vereint. Die Planung begann mit der Vision, die Innenstadt Hamburgs wieder näher ans Wasser zu bringen. Ein bedeutender Meilenstein war die Verabschiedung des Masterplans im Jahr 2000, der die Grundlage für die schrittweise Entwicklung der verschiedenen Quartiere bildete.
Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Projekte realisiert, darunter das Überseequartier und das Elbbrückenquartier. Die HafenCity steht heute für nachhaltige Stadtentwicklung, innovative Architektur und eine lebendige Mischung aus urbanem Leben und maritimem Flair.
Mit einer skandalösen Verzögerung und Kostenexplosion bis zur Fertigstellung, eröffnete dann 2017 endlich auch der Prunkbau der HafenCity: die Elbphilharmonie. Das Konzerthaus ist selbst ein Gebäude der vertikalen Mischnutzung und vereint in sich folgende Bereiche:
- drei Konzertsäle,
- ein Hotel (The Westin Hamburg),
- Gastronomie,
- eine öffentliche Plaza mit spektakulärem Ausblick,
- 45 Eigentumswohnungen,
- ein Parkhaus,
- Wellness- und Konferenzräume sowie
- einen musikpädagogischen Bereich
Der Touristenmagnet verzaubert Menschen aus der ganzen Welt mit seiner beeindruckenden blauschimmernden Glasfassade, die sich perfekt in die Kulisse des Hafens einschmiegt. Der Baustil des Gebäudes ist einem Schiff nachempfunden, das jeden Moment in See zu stechen scheint. Die Besucherzahlen geben dem Prestigebau recht — Vergessen scheinen die enormen Mehrkosten und die lange Bauzeit. Ein gelungenes Mixed-Use-Gebäude, das mit kulturellem Angebot glänzt.
Welche Vorteile haben innovative Baukonzepte der Mischnutzung?
- Förderprogramme: Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), Städtebauförderung des Bundes, KfW-Förderprogramme, Landes- und kommunale Förderprogramme
- Flexibilität durch variable Nutzungsmöglichkeiten
- Attraktivität vielfältiger Nutzen kann eine Wertsteigerung begünstigen
- Ökologische und sozial positive Effekte
- Abgrenzung als Innovationstreiber und Vordenker von Mitbewerbern
- Finanzielle Risiken können durch eine breite Streuung der Nutzungsarten reduziert werden
- Es können sich Synergieeffekte zwischen den integrierten Nutzen ergeben
Welche Herausforderungen bringen Baukonzepte der Mischnutzung mit sich?
- Gesetzliche Einschränkungen durch § 34 BauGB: Das Mixed-Use-Gebäude muss sich in das Stadtbild einfügen und darf keine offensichtlichen Konflikte zwischen den Nutzungen geben
- Komplexität bei der Planung des Gebäudes durch unterschiedliche Anforderungen nach Nutzen
- Wie bei allen Bauvorhaben wird auch bei gemischt genutzten Neubauten sowie bei einer Umwandlung von Gewerbe- oder Wohnraum eine Baugenehmigung benötigt, hier kann es ggf. zu längeren Genehmigungsverfahren kommen
- Einschränkungen durch unterschiedliche Nutzungen können Konfliktpotenzial im Fall von mehreren Eigentümern hervorrufen
- Schallschutzmaßnahmen und gesetzliche Schutzbereiche sind bei gewerblichen Nutzungsmischungen mit Wohneinheiten notwendig
- Finanzielle Steuerung und Controlling großer Immobilienprojekte können herausfordernd sein
Fazit
Das moderne Bauwesen steht vor großen Herausforderungen: Ressourcenknappheit, Klimawandel und die Notwendigkeit, lebenswerte Räume für eine wachsende Bevölkerung zu schaffen. Innovation ist der Schlüssel, um diesen Herausforderungen zu begegnen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um den Einsatz neuer Materialien und Technologien, sondern auch um die Integration verschiedener Aspekte wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung, soziale Verantwortung und architektonische Gestaltung. Mixed-Use-Immobilien und Quartiere der urbanen Mischnutzung sind Helfer einer neuen, modernen und nachhaltigen Stadtentwicklung, die sich der Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen verschreiben und dabei das Stadtbild neu prägen. Die Best Practices in Deutschland zeigen: Innovative Mischnutzungen sind bereits Bestandteil moderner Städte, das Entfaltungspotenzial ist allerdings bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Foto: Adobe Stock