Preisgleitklausel für den Bau richtig nutzen

In Zeiten rasant steigender Material- und Lohnkosten stehen Bauunternehmen vor großen Herausforderungen. Ein Bauprojekt, das heute kalkuliert wird, kann morgen schon ganz andere finanzielle Rahmenbedingungen haben. Die Lösung? Preisgleitklauseln. Sie bieten Flexibilität und Sicherheit – für beide Vertragsparteien. Doch was genau ist eine Preisgleitklausel, wann ist sie sinnvoll und wo lauern Fallstricke? In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über Preisgleitklauseln am Bau wissen müssen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Preisgleitklausel ermöglicht es, den Baupreis anzupassen, wenn Material- oder Lohnkosten während der Vertragslaufzeit erheblich schwanken.
  • Unterschieden wird zwischen der Materialgleitklausel für Baustoffe und der Lohngleitklausel für Lohnkosten.
  • Besonders sinnvoll sind Preisgleitklauseln am Bau bei langfristigen Bauprojekten oder in wirtschaftlich unsicheren Zeiten.
  • In Deutschland sind Preisgleitklauseln grundsätzlich verboten, es gibt jedoch Ausnahmeregelungen. Diese sind im Preisklauselgesetz, im BGB und in der VOB festgelegt.
  • Werden Preisgleitklauseln in Bauverträge implementiert, müssen diese klar formuliert und gut begründet.

Was ist eine Preisgleitklausel?

Eine Preisgleitklausel, zum Teil auch Gleitpreisklausel genannt, ist eine Vertragsbestimmung, die es ermöglicht, den ursprünglich festgelegten Preis einer Leistung anzupassen, wenn sich die Kosten während der Vertragslaufzeit erheblich verändern. Sie dient vor allem dazu, Auftragnehmer vor unerwarteten Preissteigerungen von Materialien oder Lohnkosten zu schützen und wird häufig in Bauverträgen angewendet. Es gibt zwei verschiedene Preisgleitklauseln am Bau: Die Material- und die Lohngleitklausel.

 

Materialgleitklausel bzw. Stoffpreisgleitklausel

Die Materialgleitklausel, auch Stoffpreisgleitklausel oder Stoffpreisklausel genannt, erlaubt es dem Auftragnehmer, Preise anzupassen, wenn die Kosten für Baustoffe (z. B. Holz oder Stahl) oder Betriebsstoffe (z. B. Energie oder Treibstoff) steigen. Sie wird vor allem genutzt, wenn die Preisentwicklung bei Vertragsabschluss schwer vorhersehbar ist.

 

Lohngleitklausel bzw. Lohnpreisgleitklausel

Die Lohngleitklausel, auch Lohnpreisgleitklausel genannt, ermöglicht es, den Preis anzupassen, wenn sich die Löhne während der Bauzeit ändern. Das gilt vor allem für tarifliche Lohnerhöhungen, die nach Vertragsabschluss eintreten. Individuelle Sonderzahlungen wie Überstundenvergütungen sind davon jedoch ausgeschlossen.

 

Wann ist eine Preisgleitklausel notwendig?

Die Baubranche hat in den letzten Jahren außergewöhnliche Herausforderungen erlebt. Globale Krisen wie die COVID-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben zu einem erheblichen Baustoffmangel geführt. Besonders betroffen waren Rohstoffe wie Baustahl und erdölbasierte Produkte wie Bitumen, die für den Straßenbau unerlässlich sind. Die Baustoffpreise stiegen rasant, was die Kalkulation für Bauunternehmen erheblich erschwerte.

 

Bei Verträgen, die in wirtschaftlich unsicheren Zeiten abgeschlossen werden, sind Preisgleitklauseln ein wirksames Mittel, um Auftragnehmer vor unvorhersehbaren Preissteigerungen zu schützen. Auch bei Bauvorhaben mit längerer Laufzeit kann eine Preisgleitklausel im Bauvertrag sinnvoll sein, da hier die Preisentwicklung über Monate oder Jahre kaum vorhersehbar ist.

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Rückblick: Sonderregelungen zur Preisgleitklausel 2022

 

Im März 2022 reagierte das Bundesbauministerium auf die durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Materialengpässe und Preissteigerungen in der Bauwirtschaft. Um die Bauunternehmen vor unvorhersehbaren Mehrkosten zu schützen, wurde eine Preisgleitklausel für Bauvorhaben des Bundes verbindlich eingeführt. Statt eines Festpreises für Baumaterialien sollte ein Verweis auf den zum Zeitpunkt der Bauausführung gültigen Marktpreis in die Verträge einfließen. Damit sollte verhindert werden, dass Auftragnehmer auf stark angestiegenen Materialkosten sitzen bleiben. Auch bei bestehenden Verträgen war eine nachträgliche Preisänderung im Einzelfall möglich.

 

Die Regelung sollte ursprünglich bis Ende 2022 gelten. Wegen anhaltender Engpässe wurde sie bis Juni 2023 verlängert. Danach sah der Bund keine Notwendigkeit mehr für eine weitere Verlängerung, da sich die Preise stabilisiert haben. Seit Juli 2023 sind die Sonderregelungen zur Preisgleitklausel deshalb wieder außer Kraft gesetzt.

Zwei Arbeiter Im Lager Treffen Absprachen Zur Preisgleitklausel

Die Aufnahme von Preisgleitklauseln in Bauverträge sollte gut überlegt sein.

Preisgleitklausel berechnen: So geht´s

Die Preisgleitklausel kann mit Hilfe der folgenden Formel berechnet werden:

Formel Für Die Berechnung Der Preisgleitklausel

Die einzelnen Werte der Formel stehen für:

 

  • P1 = Preis am Tag der Lieferung
  • P0 = Preis am Tag des Vertragsabschlusses
  • M1 = Materialkosten am Tag der Lieferung
  • M0 = Materialkosten am Tag des Vertragsabschlusses
  • L1 = Lohnkosten am Tag der Lieferung
  • L0 = Lohnkosten am Tag des Vertragsabschlusses
  • a = prozentualer Anteil des Preises, der unverändert bleibt
  • b = prozentualer Anteil des Preises, der auf Material entfällt
  • c = prozentualer Anteil des Preises, der auf Lohnkosten entfällt
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Gut zu wissen: Bei dieser Formel handelt es sich um eine Kombination aus Lohngleitklausel und Materialgleitklausel. Möchte Sie jeweils nur einen der beiden Werte berechnen, können Sie den nicht benötigen Teil aus der Formel streichen.

Gesetzliche Regelungen zur Preisgleitklausel für den Bau

In Deutschland gibt es verschiedene Gesetze, die für Preisgleitklauseln von Bedeutung sind. Welche das sind, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

 

Preisklauselgesetz

Das Preisklauselgesetz (PrKG) besagt, dass Geldschulden nicht automatisch durch den Preis oder Wert von anderen, nicht vergleichbaren Gütern oder Dienstleistungen festgelegt werden dürfen. Das heißt, eine direkte Kopplung des Zahlungsbetrags an externe, nicht vergleichbare Faktoren ist unzulässig (vgl. § 1 Absatz 1 PrKG).

 

Allerdings gibt es in § 1 Absatz 2 PrKG mehrere Ausnahmen, die bestimmte Arten von Preisklauseln erlauben. Für den Bau sind besonders die sogenannten Kostenelementeklauseln relevant. Diese Klauseln sind zulässig, wenn die Selbstkosten des Auftragnehmers direkt durch Preisänderungen beeinflusst werden, beispielsweise bei Baumaterialien oder Lohnkosten. Sie ermöglichen eine Preisanpassung, wenn die Kosten durch externe Faktoren steigen – oder auch fallen.

 

Wichtig ist, dass die Anpassung nachvollziehbar sein muss und sich eng an den tatsächlichen Kostenentwicklungen orientiert. Beide Vertragsparteien haben das Recht, eine Anpassung zu verlangen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt laut PrKG vor, wenn der Zahlungsanspruch nur bei Preis- oder Wertsteigerungen erhöht wird, aber nicht bei einem Rückgang gesenkt wird.

 

Preisgleitklausel im BGB

Wenn ein Bauvertrag ohne Gleitklausel abgeschlossen wurde und es zu erheblichen Preisschwankungen kommt, bietet § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Grundlage für Vertragsänderungen. Diese Regelung zur „Störung der Geschäftsgrundlage“ ermöglicht es, den Vertrag anzupassen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Bedingungen, auf denen der Vertrag beruht, nachträglich stark verändert haben. Das gilt besonders dann, wenn beide Parteien den Vertrag unter den neuen Umständen anders gestaltet hätten und es für eine Partei unzumutbar ist, am ursprünglichen Vertrag festzuhalten.

 

Zu diesen Umständen können auch unvorhersehbare Preissteigerungen gehören, die den Vertrag wirtschaftlich untragbar machen. Ist eine Anpassung nicht möglich oder unzumutbar, gibt § 313 der benachteiligten Partei das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie z. B. langfristigen Bauprojekten, besteht stattdessen ein Kündigungsrecht.

 

Preisgleitklausel nach VOB

Auch in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) finden sich Vorschriften zur Preisgleitklausel am Bau. Die Materialgleitklausel nach VOB ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A geregelt. Dort heißt es, dass Betrieben kein Wagnis für Umstände und Ereignisse auferlegt werden darf, auf das sie keinen Einfluss haben und deren Einwirkung auf die Preise sie nicht im Voraus schätzen können. Zu solchen Umständen und Ereignissen zählen natürlich auch Vorkommnisse wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg. Aber auch bei längeren Bauprojekten sind unvorhersehbare Preisänderungen keine Seltenheit. Hier ist die Vereinbarung einer Preisgleitklausel häufig unumgänglich.

 

So vermeiden Sie Fallstricke beim Einbau der Preisgleitklausel in den Bauvertrag

Preisgleitklauseln sollten nicht als Beiblatt und erst recht nicht zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzugefügt, sondern als feste Bestandteile in den Vertrag integriert werden.

 

Wenn Sie eine Preisgleitklausel in Ihren Bauvertrag integrieren möchten, sollten Sie die folgenden fünf Punkte berücksichtigen:

  1. Achten Sie auf eine klare und detaillierte Formulierung der Preisgleitklausel. Legen Sie fest, auf welche Kostenarten die Preisgleitklausel angewendet wird und wie diese berechnet wird. Eine einfache Berechnung der Preisänderung anhand des Vertrages sollte möglich sein.
  2. Sorgen Sie dafür, dass die Anpassungskriterien eindeutig definiert sind. Das gilt insbesondere für die Schwellenwerte oder Indizes, die zur Preisänderung führen.
  3. Die kalkulierten Preise der von der Anpassung betroffenen Positionen müssen gegenüber dem Vertragspartner transparent gemacht werden. Preisanpassungen müssen immer vor dem Kunden begründet und mit Nachweisen der Lieferanten belegt werden können.
  4. Die Preisgleitklausel darf keine Vertragspartei benachteiligen. Vereinbaren Sie eine gerechte Risikoverteilung, sodass nicht nur eine Vertragspartei das gesamte Risiko trägt. Suchen Sie hierfür im Vorfeld den Dialog mit dem Bauherrn, um eine faire Lösung zu finden.
  5. Halten Sie sich an die gesetzlichen Regelungen zur Preisgleitklausel für den Bau und lassen Sie sich bei Unklarheiten rechtlich beraten.

 

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Gut zu wissen: Index- vs. prozentuale Preisgleitklausel

 

Eine Index-Preisgleitklausel bezieht sich auf die Entwicklung eines bestimmten Preisindex, beispielsweise für unterschiedliche Baumaterialien. Der Preis wird angepasst, wenn sich der zugrundeliegende Index verändert. Dabei legen beide Vertragsparteien fest, welcher Index für welche Materialien gilt.

 

Bei der prozentualen Preisgleitklausel wird festgelegt, dass der Preis eines Bauprojekts angepasst wird, wenn die Kosten eines bestimmten Materials um einen festgelegten Prozentsatz steigen. Beide Parteien können vereinbaren, dass sie diese Preissteigerung anteilig tragen, um das Risiko zu teilen.

Preisgleitklausel: Vorlage und Musterformulierungen

Hier finden Sie ein Muster der Rechtsanwältin Claudia Höltkemeier für eine Zusatzvereinbarung zur Preisanpassung bei Materialpreisschwankungen zum Download (Stand August 2022). Allerdings bietet auch dieses Preisgleitklausel-Beispiel in Streitfällen mit Geschäftskunden keine absolute Gerichtsfestigkeit. Es ist jedoch ein guter und leicht gangbarer Weg, um Konflikten durch Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Kunden vorzubeugen.

 

Wertvolle Tipps für die Praxis gibt auch Anna Rehfeld, Rechtsanwältin in Berlin, im Themenspecial „Baurecht“ von handwerksblatt.de (April 2022). Auch hier finden Dienstleister hilfreiche Formulierungen, an denen sie sich in ihren Angeboten und Bauverträgen orientieren könnten.

 

Fakt ist aber, dass Bau- und Handwerksunternehmen auch mit der Preisgleitklausel nicht alle unternehmerischen Risiken von vornherein ausschließen können. Wer bei Preisgleitklauseln für den Bau sogenannte Musterformulierungen in seine Verträge einbauen möchte, sollte sich auf jeden Fall vorher beraten lassen. Die Fachverbände und Innungen stehen dafür als Ansprechpartner zur Verfügung.

 

Preisgleitklauseln in Österreich und der Schweiz

In Österreich und der Schweiz sind Preisgleitklauseln ebenfalls ein wichtiges Instrument, um Bauunternehmen vor unvorhersehbaren Kostensteigerungen zu schützen.

 

In Österreich spricht man statt von Preisgleitklauseln von „veränderlichen Preisen„. Diese sind im Bundesvergabegesetz (§2 Ziffer 26 lit. g BVergG) sowie in der ÖNORM A 2050 (Abschnitt 3.16.7) definiert. Diese Preise können unter bestimmten Bedingungen angepasst werden, wenn sich vereinbarte Grundlagen ändern. Die genaue Berechnung veränderlicher Preise wird oft durch die ÖNORM B 2110 und B 2111 unterstützt, die speziell für Bauverträge gelten.

 

In der Schweiz wird die Preisgleitung nach der SIA-Norm 118 geregelt, die als „Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten“ bekannt ist. Diese Norm ist mit der deutschen VOB vergleichbar und sorgt dafür, dass Preisanpassungen bei Bauprojekten unter Berücksichtigung von Material- und Lohnkosten vorgenommen werden können​.

 

Preisgleitklauseln sinnvoll einsetzen

Preisgleitklauseln schützen Bauunternehmen vor unvorhersehbaren Kostensteigerungen und ermöglichen eine faire Preisanpassung. Sie sind besonders bei langfristigen Bauprojekten oder in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten sinnvoll. Beachten Sie allerdings, dass solche Klauseln in beide Richtungen wirken – sinken die Kosten, wird auch der Preis entsprechend angepasst. Daher sollten Preisgleitklauseln stets gut durchdacht und im beiderseitigen Interesse vertraglich festgelegt werden.

 

Um die Komplexität der Kostenplanung, Vertragsverwaltung und Kommunikation zu meistern, lohnt sich der Einsatz einer umfassenden Bausoftware. Sie unterstützt nicht nur bei der präzisen Kostenverfolgung und transparenten Abrechnung, sondern erleichtert auch die effiziente Zusammenarbeit zwischen Architekten und Bauausführenden. So behalten Sie alle Details Ihrer Bauplanung jederzeit im Blick und gewährleisten eine reibungslose Projektabwicklung.

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