Zirkuläres Bauen mit Madaster, BIM & Co: Gebäude als Rohstoffdepots

Eva Marion Beck

Was hat sich in den letzten Jahren bzgl. zirkulärem Bauen getan, wie entwickelt sich der Umgang mit nachhaltigen Baustoffen? Und wie können neue Ideen und Tools die öffentliche Hand, Bauunternehmen und Architekten dabei unterstützen, nachhaltiger zu bauen?

Bau und Betrieb von Gebäuden verursachen etwa 40 Prozent unserer CO2 -Emissionen, der Bausektor ist wegen der Abfälle aus Bau und Abbruch für mehr als die Hälfte des Brutto-Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich. An diesem Punkt setzen innovative Methoden und Ideen an, um Energie effizienter zu nutzen, Energieeinsparpotenziale zu heben und Ressourcen zu schonen. Eine der zentralsten ist das zirkuläre Bauen, das längst viel mehr ist als eine Zukunftsvision. Denn die Verwendung von zirkulären Baustoffen und Abfallvermeidung werden – nicht zuletzt im Rahmen der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – immer mehr zur Pflicht.

Was ist zirkuläres Bauen?

Im Fokus des zirkulären Bauens stehen Wiederverwendbarkeit und Recycling (Reuse and Recycle). Das A und O ist hier, dass verbaute Materialien schon bei der Planung registriert werden. Als eines der wichtigsten Werkzeuge dafür hat sich in den letzten zwei Jahren Madaster herauskristallisiert, die globale Online-Cloud-Plattform eines jungen holländischen Unternehmens, die seit Herbst 2021 in Deutschland öffentlich zugänglich ist.
In diesem digitalen Kataster können Daten über verbaute Materialien, Baustoffe und Bauteile gespeichert und verwaltet werden. Bauherren, Fachplaner, Architekten, Betreiber sowie andere Beteiligte finden im Madaster Informationen zu Umweltauswirkungen und Recyclingfähigkeit der verbauten Materialien, Produkte und Anlagen. Madaster ist zu einer anerkannten Entscheidungshilfe im Sinne des zirkulären Einsatzes von Produkten und Materialien geworden. Die Daten können mit weiteren Informationen angereichert und ausgetauscht werden.

Mit Materialpässen zum „Rohstoffdepot“

Eines der hilfreichsten Tools von Madaster ist die Erstellung von digitalen Materialpässen bzw. Gebäuderessourcenpässen. Hier kommt wieder BIM – Building Information Modeling –mit seiner größten Trumpfkarte ins Spiel: Transparenz. Innerhalb der Madaster-Plattform steht das BIM-Modell mit seinen umfangreichen Gebäudedaten. Madaster liest die BIM-Modelle aus und verknüpft die Daten automatisiert mit Material- und Produktdatenbanken. Mittels der IFC-Schnittstelle können komplexe Informationen zu überschaubaren Ergebnissen verarbeitet werden.

Was ist ein Materialpass?

Ein Materialpass dokumentiert alle in einem Gebäude verbauten Materialien und Produkte und bietet damit die Grundlage für eine Bewertung der Recyclingfähigkeit eines Gebäudes.

 

Im Materialpass sind Informationen enthalten über

  • Qualität, Herkunft und Position von Materialien, die in einem Gebäude oder einer Konstruktion enthalten sind
    chemische Inhaltsstoffe und Produktzusammensetzungen
  • den materiellen, zirkulären und finanziellen (Rest-)Wert von Gebäuden
  • die CO2-Bilanz sowie das Wiederverwendungspotenzial von Materialien

Mit Hilfe einer solchen Dokumentation ist es möglich, Gebäude und Infrastrukturen als echte Rohstoffdepots zu organisieren, also konkret: Materialien, Komponenten und Produkte möglichst lange und effizient im Kreislauf zu halten und Abfälle zu eliminieren. So wird der Übergang zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft im Bauwesen unterstützt und eine Wiederverwendung von Baukomponenten erleichtert.

Die Nemetschek Group hat sich 2021 als erstes Software-Unternehmen dem Madaster Kennedy-Netzwerk angeschlossen und die Allianz damit um einen wichtigen Aspekt erweitert: Softwarelösungen für den Baulebenszyklus.

Der Digitale Zwilling – die Königsklasse

Auch der Digitale Zwilling kann beim Thema Zirkularität seine Stärken ausspielen. Das intelligente virtuelle 3D-Modell ist mit Informationen über das Objekt verknüpft, die sogar als Livedaten in Echtzeit abgerufen werden können. Sie dienen im Facility Management als Steuerinstrument für einen energie- und kosteneffizienten Betrieb. Bei einer geplanten Umnutzung können unterschiedliche Entsorgungs- und Recycling-Alternativen vorab am digitalen Modell ausprobiert werden.

 

Die vorhandenen Informationen erleichtern beim Rückbau eine umweltfreundliche Entsorgung bzw. den Re-use des Baumaterials. Beim zirkulären Bauen wird einmal mehr deutlich, wie eng BIM und der Digitale Zwilling mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpft sind!

Weiterführende Informationen:

  • dTwin I Unlock the potential of your data
  • restado ist der größte Markplatz für wiederverwendbare Baustoffe in Deutschland. Die Online-Plattform ist nach Gewerken organisiert und bietet alle gängigen Baustoffe. Handwerker und Baubetriebe finden hier eine große Auswahl an Ziegeln, Steinen, Holz, Türen, Fenstern und Fliesen, aber auch übriges Dämmmaterial sowie Baustoffe im Bereich der Haustechnik und Sanitär.
  • Ein 2020 gegründeter Ableger und eine Erweiterung von restado ist das Berliner Start-up Concular, das sich auf „zirkuläre Immobilien in Neubau und Bestand“ spezialisiert hat. Concular katalogisiert und vermittelt nicht nur wiederverwendbare Bauteile, sondern erstellt zudem digitale Materialpässe und erfasst den CO2-Fußabdruck sowie verbaute Materialien und ihren Wert über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes.
  • Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gibt die Baufachlichen Richtlinien zum Recycling heraus, Arbeitshilfen zum Umgang mit Bau- und Abbruchabfällen sowie zum Einsatz von Recyclingbaustoffen auf Liegenschaften des Bundes. Sie dient auch für Nicht-Bundesbauten als Planungshilfe und steht auf den Webseiten des Ministeriums zum Download zur Verfügung.

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