„Da geht noch deutlich mehr“ – Digitalisierung in der Baubranche

Wie Bauunternehmen energieeffizient, ressourcenschonend und kostensparend agieren können, sagt Ruth Schiffmann, Geschäftsführerin von NEVARIS und Bluebeam GmbH, im Interview.

 

Hier verrät Ruth Schiffmann, wie sie ihren Start im Unternehmen erlebt hat, welche Themen in der Baubranche aktuell eine Rolle spielen – und wie die Digitalisierung auch bei kleineren Bauunternehmen klappt. Ein persönlicher Ausblick auf die Zukunft der Baubranche in der DACH-Region.

Frau Schiffmann, wo kommen Sie beruflich her – und wo wollen Sie hin?

Für mich war es immer wichtig, einen Job zu haben, in dem ich Dinge entwickeln und bewegen kann. So habe ich nach meinem Bachelor-Studium der Betriebswirtschaftslehre und neben meinem Master in Sozialökonomik auch direkt in einem Start-Up erste Erfahrungen in der Gesamtverantwortung einer Unternehmung und als Geschäftsführerin sammeln können.

 

Mit Abschluss meines Studiums hat es mich weitergetrieben und ich bekam das Angebot, bei der OpenText, einem kanadischen Softwareanbieter für EIM-Lösungen, im strategischen Key Account Management einige der größten Kunden der Region zu betreuen. Das war Chance und Herausforderung gleichermaßen und der Anfang alles andere als leicht, aber aufgeben geht natürlich nicht. Und so habe ich mich durchgebissen und konnte nach dem ersten Jahr auf die ersten großen Erfolge und den Respekt des Account Teams blicken, das ich in der Rolle des Key Account Managers anleiten durfte.

 

Nach 6 Jahren bei der OpenText und zuletzt der Betreuung des Automobilsektors, lockte der Ruf von TeamViewer und die Aufgabe, Enterprise Business für die Region DACH und Nordics und später Central & Western Europe und Nordics aufzubauen und zu etablieren. Mit dem Aufbau des Enterprise Segments und der erfolgreichen Umstellung auf Subscription bei TeamViewer hatte ich die Nemetschek Group auf mich aufmerksam machen können und mich als Kandidatin für die Geschäftsführung und den damit verbundenen Aufbau der Region Central & Western Europe von Bluebeam GmbH qualifiziert.

 

Nach dem Start in der Nemetschek Group als Geschäftsführerin der Bluebeam GmbH darf ich seit Juli 2022 gemeinsam mit dem Team nun auch die NEVARIS auf die nächste Stufe bringen.

Welche Themen sind aktuell in der Bauwirtschaft wichtig?

Einige Themen begleiten die Baubranche schon eine ganze Weile, sind aber immer noch aktuell.

 

Zum einen sind da natürlich die Themen Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion, die bereits viel diskutiert wurden und die Zukunft auch weiter prägen werden: Bis 2050 soll der Gebäudesektor CO2-neutral sein. Das kann nur funktionieren, wenn wir den Energieverbrauch im gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks managen können. Hier gibt es bereits spannende Technologien, beispielsweise zur Berechnung des in Gebäuden gebundenen CO2 unter Berücksichtigung von Konstruktion und Baustoffen.

 

Ebenso viel und lange diskutiert ist das Thema BIM als digitaler und integrativer Ansatz für die Abwicklung von Projekten, um sämtliche Bauwerksdaten digital zu visualisieren und ein intelligentes Gebäudedatenmodell zu erstellen. Das Ziel sollte sein, dass sämtliche Projektbeteiligte hierauf Zugriff haben und alle Daten, die von der Planung bis hin zur Bauausführung und zum Betreiben gesammelt und verfügbar gemacht werden.

 

Wenn ich diesen Gedanken, diesen Prozess, weiterführe, komme ich zum Digital Twin. In anderen Branchen zählen Digitale Zwillinge bereits zu den wichtigsten Technologien der heutigen Zeit, um Produkte, Dienstleistungen und Prozesse besser zu verstehen und zu optimieren. Dies gilt auch für Bauwerke: Durch die dynamische Rückkopplung kann ein optimierter Betrieb inklusive Wartung und Instandhaltung realisiert werden.

Digitalisierung ist nicht die Zielsetzung,
sondern vielmehr das Werkzeug, um die Ziele der Baubranche zu erreichen.

Neben der Digitalisierung und damit einhergehend wird auch das Thema Lean Management und Lean Construction Management immer mehr Bedeutung bekommen. Hier stehen die Kollaboration und Transparenz für eine integrierte und effiziente Projektabwicklung im Mittelpunkt.

 

All diese Themen haben eines gemein: es geht nicht ohne Digitalisierung, wobei die Digitalisierung hierbei nicht die Zielsetzung, sondern vielmehr das Werkzeug und die Grundlage ist, um die Ziele der Baubranche zu erreichen. Als Software- und Serviceanbieter müssen wir uns entsprechend aufstellen und stetig weiterentwickeln.

Welche Antworten hat NEVARIS für die aktuellen Herausforderungen in der Baubranche?

Unbestritten befinden wir uns nach der Corona-Pandemie nun in einer weiteren wirtschaftlich herausfordernden Situation. Aktuell sind die Auftragsbücher teilweise zwar noch gut gefüllt, aber insbesondere im Wohnungsbau sehen wir bereits die konjunkturellen Effekte: Im Sommer letzten Jahres lagen die Aufträge dort knapp 24 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres und auch insgesamt ist ein Rückgang im Bauhauptgewerbe zu verzeichnen. Entwarnung ist vorerst nicht in Sicht, denn hohe Energie- und Materialkosten sowie Materialknappheit werden die Baubranche weiter begleiten. Aber auch der Fachkräftemangel ist nach wie vor ein Thema, das Bauunternehmen umtreibt und sie an ihre Kapazitätsgrenzen bringt.

 

Das alles sind große Themen, die wir nicht lösen können – das wäre auch sehr vermessen. Aber wir können helfen. Helfen, effizienter zu werden, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Denn gerade in diesen Zeiten kann man sich Ineffizienz nicht mehr leisten.

 

Auf der anderen Seite steht dem auch immer die Sorge um Investitionen entgegen, und gerade hier haben wir mit flexiblen und kostengünstigen Modellen ein risikoloses aber höchst effektives Angebot für unsere Kunden, das ohne lange Implementierungsaufwände direkten Mehrwert bringt – insbesondere auch für die kleineren Unternehmen, die in diesen Zeiten meist besonders leiden.

Wie sieht es allgemein mit der Digitalisierung in der Baubranche aus?

Die Baubranche hat im Branchenvergleich auf jeden Fall noch viel Potenzial, da besteht auch in der Branche große Einigkeit. Wir haben allerdings im Baugewerbe eine große Herausforderung: Es ist ein sehr fragmentierter Markt mit vielen kleinen Unternehmen und Betrieben auf der einen Seite und großen Playern auf der anderen Seite. Während die größeren Unternehmen oftmals bereits sehr digital und innovativ unterwegs sind, arbeiten viele kleinere Betriebe noch analog, sodass es immer wieder zu Brüchen kommt. Und diese stehen der Vision und der Digitalisierung der Branche insgesamt im Weg, denn wie wir bereits angesprochen haben – Ziel ist es, über alle Phasen hinweg einen integrierten Prozess mit sämtlichen Projektbeteiligten zu erreichen. Ohne Brüche und mit der Verfügbarkeit aller generierten Daten für die Beteiligten.

 

Umso wichtiger ist es meiner Meinung nach, dass wir als Software- und Serviceanbieter gute und machbare Angebote für alle Marktbeteiligten anbieten, um sukzessive die Digitalisierung der gesamten Branche voranzutreiben – gerade in diesen Zeiten.

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Mit flexiblen Lizenzierungsmodellen leisten wir einen Beitrag, damit Bauunternehmen durch herausfordernde Zeiten kommen – und sich auch mit geringen Ressourcen einen Vorteil verschaffen, um auf die aktuelle Lage zu reagieren.

Was bietet NEVARIS für kleinere Unternehmen?

Kleinere Unternehmen werden häufig vergessen, weil Softwarelösungen oft mit hohen Kosten und langen Implementierungszeiten verbunden sind. Diese Kapazitäten und Ressourcen haben viele kleinere Unternehmen einfach nicht. Sie sind daher oft nicht in der Lage, den großen Wurf zu machen. Aber auch diesen Unternehmen können wir helfen, weil wir – neben unseren Kernprodukten, die längerfristige Themen in Angriff nehmen – auch sehr flexible Lösungen anbieten. Unser 123erfasst-Portfolio umfasst kostengünstige und dennoch effektive Lösungen. Ein passendes Lizenzierungsmodell mit monatlicher Kündigungsfrist erleichtert Unternehmen beispielsweise die ersten Schritte bei der Digitalisierung.

Wie wichtig ist der Qualitätsaspekt vor dem Hintergrund des steigenden Kostendrucks?

Das kann ich für uns sehr klar beantworten: Qualität ist einer unserer Grundwerte. Das heißt, Qualität beim Produkt wie beim Service werden wir immer beibehalten.

 

Durch einen modularen Aufbau unseres Angebotes schaffen wir allerdings eine Option, Kunden entscheiden zu lassen, was funktional und individuell gut genug ist, ohne aber bei der Qualität Abstriche zu machen. Am Ende des Tages erwartet jeder Kunde gewohnt hohe Qualität. Nur dann wird die Bereitschaft und Akzeptanz innerhalb der Belegschaft für die Digitalisierung gegeben sein.

Wir spüren den Kostendruck auf der Kundenseite. Darauf reagieren wir, indem wir sukzessive auf modulare Angebote umstellen.

Der Blick über den Tellerrand: Welche Vision haben Sie für die Bauwirtschaft in der DACH-Region?

Wir haben in der Bauwirtschaft über die letzten Jahrzehnte Produktivitätssteigerungen von etwa einem Prozent gesehen. Andere Branchen zeigen: Da geht noch deutlich mehr. Wie bereits angesprochen ist die Digitalisierung hierbei nicht die Zielsetzung, sondern das Werkzeug, um die Ziele der Baubranche zu erreichen. Durch Digitalisierung haben Unternehmen im internationalen Vergleich deutlich bessere Möglichkeiten, wettbewerbsfähig zu bleiben. Und auch Nachhaltigkeit als eine der Top-Prioritäten der Baubranche können wir durch Digitalisierung maßgeblich vorantreiben, indem wir Ressourcen bestmöglich managen.

 

Ich wünsche mir für die Baubranche, dass wir die vorhandenen digitalen Werkzeuge schon heute noch mehr nutzen, um den Weg der Digitalisierung nicht nur zu diskutieren, sondern in der gesamten Branche auch gemeinsam zu beschreiten. Das Potenzial ist gigantisch.

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Wo sehen Sie Chancen für NEVARIS in den kommenden Jahren?

Unsere Kunden suchen nach Wegen, ihre Digitalisierung weiter voranzutreiben. Unsere Aufgabe ist es, sie bestmöglich dabei zu begleiten. Dafür müssen wir auch uns selbst ständig weiterentwickeln. NEVARIS ist bei einigen Bauunternehmen mit unserer branchenführenden ERP-Lösung ein integraler Bestandteil der IT-Landschaft. Durch die kontinuierliche Erweiterung unseres Angebotes und das Öffnen in Richtung anderer Systeme über Schnittstellen, können wir zusammen mit unseren Kunden die Digitalisierung der Branche maßgeblich unterstützen.

 

Mit unserem weiteren Portfolio sowie unserer Zugehörigkeit zur Nemetschek Group und unseren Schwesterfirmen sind wir ein starker und etablierter Partner für die Baubranche, der über den gesamten Lebenszyklus – vom Planen über die Ausführung und das Betreiben bis hin zum Rückbau – Mehrwert bieten kann.

Wie haben Sie NEVARIS vor Ihrem Antritt als Geschäftsführerin – von außen – wahrgenommen?

Als ich vor rund 18 Monaten bei der Bluebeam GmbH anfing, war NEVARIS sicherlich ein Stück weit Vorbild für die Bluebeam GmbH, die noch recht jung in der DACH-Region vertreten ist. NEVARIS war hingegen gut etabliert, mit vielen großen Kunden in der DACH-Region, sehr professionell aufgestellt sowie mit viel Erfahrung und Know-how in der Baubranche. Und trotzdem ist NEVARIS jung geblieben mit einer modernen Unternehmenskultur. Und genau das strahlt NEVARIS aus – das durfte ich bereits bei meinem ersten Besuch in Bremen – damals noch ausschließlich in meiner Bluebeam-GmbH-Rolle – erleben und das begeistert mich noch heute.

Es ist sehr schön zu erleben, wie wir unsere Stärken zusammenbringen, um gemeinsam weiterzukommen.

Wie haben Sie die ersten Monate auf Ihrem neuen Posten erlebt?

Auf jeden Fall sehr intensiv und inspirierend. An meinem ersten Tag durfte ich bereits sehr viele Kollegen persönlich kennenlernen, denn es war der Tag unseres internen Sommerfests, an dem die gesamte Belegschaft nach der Pandemie-Zeit das erste Mal wieder zusammengekommen ist. Unser Hauptsitz in Bremen war mehr als voll besetzt und ich konnte die NEVARIS-Unternehmenskultur direkt hautnah erleben – und später wurde natürlich noch ausgelassen gefeiert. Also wirklich ein gelungener Start.

 

Die folgenden Wochen und Monate waren von Lernen und Kennenlernen geprägt: NEVARIS als Unternehmen in allen Bereichen mit unserer Kultur, Produkten und Lösungen, aktuellen Themen und Herausforderungen und natürlich weiteren Kollegen sowie unseren Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In Gesprächen mit Kunden und Partnern durfte ich weiter auch die Sicht von Außen, die Zufriedenheit in der Zusammenarbeit mit uns, Wünsche, Trends und Herausforderungen bei unseren Kunden und Partnern verstehen.

Was bedeutet es für Sie, in einer doppelten Rolle tätig zu sein – als Geschäftsführerin der Bluebeam GmbH (Zentral- und Westeuropa) und von NEVARIS?

Eine der ersten Fragen nach Bekanntgabe der zusätzlichen NEVARIS Geschäftsführungs-Rolle aus meinem Bluebeam-GmbH-Team war, ob ich denn dann noch genug Zeit für alle hätte. Und das ist sicherlich meine persönlich größte Herausforderung – die Priorisierung der Themen auf der Business Seite und gleichzeitig der persönlichen Erwartungshaltung der Mitarbeiter und Kollegen, aber auch meinem Anspruch an mich selbst gerecht zu werden.

 

Aber es ist eine großartige Chance. Beide Unternehmen können voneinander lernen, Synergien nutzen und auch Best Practices teilen. Ich merke, dass auch die Teams das als Chance begreifen und proaktiv in die Zusammenarbeit gehen. Es ist sehr schön zu erleben, wie wir unsere Stärken zusammenbringen, um gemeinsam weiterzukommen.

Mit welchen Worten würden Sie NEVARIS beschreiben?

Professionalität, Know-how & Innovation sowie Motivation – eine großartige Kombination, um sich stetig weiterzuentwickeln. Ein ganz anderer Begriff beschreibt die NEVARIS aber definitiv auch sehr gut: A great place to work.

Was war bisher Ihr schönstes Erlebnis bei NEVARIS?

Ehrlicherweise gibt es nicht das eine Erlebnis, aber wenn ich in den Teams bin und die Motivation und Eigeninitiative und diesen Willen sehe und spüre – was kommt als nächstes, wie kommen wir weiter, was können wir positiv beeinflussen? Das ist es, was mich motiviert und weshalb ich mich jedes Mal wieder freue, genau das zusammen mit dem Team zu tun: das Unternehmen und damit unsere Kunden nach vorne bringen.

Welche zwei Dinge dürfen in Ihrem Koffer auf (Dienst-)Reisen nicht fehlen?

  • Noise Cancelling Kopfhörer – damit gewinnt man unterwegs auch ein paar Ruhe- oder Konzentrations-Phasen.
  • Sportsachen – nicht, dass ich immer Sport machen würde, aber ich brauche das Gefühl, dass ich es könnte.

Was sind Ihre drei Tipps zur Motivationsfindung?

  • Ambitionierte Ziele: Wo wollen wir hin?
  • Erfolge: Was haben wir schon erreicht? Das können große, aber auch die kleinen oder sehr individuellen Erfolge und Fortschritte von mir selbst oder Kollegen sein.
  • Momente im Team: Gemeinsam Spaß haben, gemeinsam Lösungen finden, sich gemeinsam ärgern und wieder motivieren und unzählige weitere Situationen, die meinen Job zu mehr als einen Job machen.

Worauf möchten Sie zurückblicken, wenn wir uns Ende 2023 wieder zum Interview treffen?

Wir haben uns als Unternehmen einige Ziele gesetzt, die ich natürlich erreicht sehen möchte. Unter anderem unseren Kundenfokus voranzutreiben, um die Kundenzufriedenheit sicherzustellen und zu erhöhen – hieran lässt sich meiner Meinung nach der Erfolg eines Unternehmens sehr gut messen. Außerdem lebt und funktioniert ein Unternehmen natürlich nur mit seinen Mitarbeitern. Daher stehen die Mitarbeiter ebenso im Fokus, damit wir unseren Status „A great place to work“ beibehalten und unsere ambitionierten Ziele umsetzen werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schiffmann!

Ruth Schiffmann im Interview mit der Bluebeam GmbH über die aktuellen Trendthemen in der Baubranche

Folgen Sie Ruth Schiffmann auf LinkedIn für weitere Einblicke der NEVARIS- und Bluebeam GmbH Geschäftsführerin.

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Bildnachweis: 123erfasst/Timo Lutz Werbefotografie, NEVARIS Bausoftware GmbH