Wie Lean Construction das Bauwesen effizienter macht

Heinz-Michael Ruhland kennt 7 Gründe, warum Ihnen Lean Construction einen Wettbewerbsvorteil verschafft

Alle reden von BIM​, dabei hat Lean Construction einen höheren Nutzwert für Bauunternehmen, meint Heinz-Michael Ruhland. Wo genau dieser Nutzwert liegt, was Lean Construction bedeutet, welche Rolle BIM dabei spielt und wie sich Bauunternehmen dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können, erfahren Sie in diesem Artikel.

Als Produktmanager bei NEVARIS und Mitglied des German-Lean-Construction-Institut (GLCI)​ treibt Heinz-Michael Ruhland das Thema Lean Construction voran. Darüber hinaus lehrt er unter anderem an der Fakultät für Architektur und Bauwesen an der Hochschule Karlsruhe als Dozent das Thema Digitalisierung im Baugewerbe – BIM und ist Mitglied der Austrian Standards International – Standardisierung und Innovation in Österreich.

Was ist Lean Construction im Bauwesen? Eine Definition von Heinz-Michael Ruhland

Lean Construction ist keine Software, kein Programm. Es ist ein fortlaufender Prozess, in dem Arbeitsschritte strukturell geplant werden, ineinandergreifen und in der Ausführung möglichst schlank ablaufen. Die Grundidee von Lean Construction ist es, Verschwendungen in Form von Zeit, Geld und Ressourcen zu vermeiden. Lean Construction ist sozusagen eine Mentalität – und zwar eine, die das Bauwesen maßgeblich verbessern kann.

 

Eigentlich gibt es Lean Construction schon seit vielen Jahren. Schon früher haben Menschen versucht, ihre Arbeitsschritte zu strukturieren – sodass beispielsweise beim Hausbau nicht der Dachdecker schon vor dem Maurer kommt oder zu viele Gewerke gleichzeitig auf der Baustelle erscheinen.

Lean in der Automobilindustrie und im Bauwesen – Ist ein Vergleich überhaupt machbar?

Kann man die Automobilindustrie mit dem Bauwesen vergleichen? In der Vergangenheit argumentierte die Bauindustrie, das Automobil sei ein Massenprodukt und mit seinen immer gleichen Produktionsabläufen für einen Vergleich nicht anwendbar. Jedes Bauwerk sei aber schließlich ein Unikat.

 

Schauen wir uns das mal an: 1970 hatte ein Automobilhersteller z.B. drei Modelle. Von jedem Modell gab es zwei Farben – also insgesamt sechs Varianten. Im Vergleich zu heute war das sehr minimalistisch. Die Produktpaletten sind enorm gewachsen. Wenn man heute die unterschiedlichen Ausstattungsmöglichkeiten beachtet, könnte man sagen, dass jedes Auto ein kleines Unikat ist. Hinzu kommt, dass die Modularisierung auch im Baugewerbe im Trend liegt und vorangetrieben wird. Dennoch gibt es ganz klare Unterschiede zwischen der industriellen Produktion und dem Bauwesen:

 

  • Fertigen Sie industriell, arbeiten Sie in der Regel mit Ihren eigenen Mitarbeitern. In Bauprojekten arbeiten viele verschiedene Nachunternehmer. Dazu kommt, dass der Anteil der Handarbeit im Bauwesen höher ist als in der produzierenden Industrie. Der Einsatz von Robotik auf Baustellen steckt noch in den Kinderschuhen, ist aber einer der kommenden Megatrends.
  • Ein weiterer Unterschied ist der einheitliche Standard dank Zertifizierungen. Automobilhersteller arbeiten mit Zulieferern, die nach verschiedenen Verfahren zertifiziert sind. Auch das ist im Baugewerbe nicht immer gegeben. Dazu kommt, dass die Fertigung im Bauwesen unter freiem Himmel passiert und das Wetter nicht immer mitspielt.

 

Dennoch ist ein Vergleich machbar, denn etliche Bauprozesse sind immer wiederkehrende Arbeitsschritte, die geplant und verschlankt werden können.

Wie BIM Lean Construction im Bauwesen ermöglicht

Wenn ein Bauunternehmer vom Planer ein digitalisiertes Modell bekommt, stehen ihm Informationen zur Verfügung, die er mit einigen Medienbrüchen weiterverarbeiten kann. BIM macht‘s möglich. Früher bekam er zum Beispiel eine Vielzahl von Ordnern und Plänen – bzw. das meiste musste selbst ausgedruckt werden – und sollte dann anfangen. Durch die Digitalisierung kann er heute anhand eines digitalen Bauwerkmodells die Produktionsprozesse schon vorstrukturieren, das Projekt in Produktionstakte, Zeiten und Arbeitspakete aufgliedern. Dieses Vorgehen wird seine Kosten unweigerlich senken und die Effizienz deutlich steigern.

7 Gründe, warum Lean Construction Ihrem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft

Momentan sind die Auftragsbücher voll. Es gibt zwar keinen Leidensdruck, aber ein stetiges Bergauf wird es nicht geben – das wissen Bauunternehmer. Die Cleveren positionieren sich bereits jetzt. Lean Construction gilt hier als Mittel der Wahl. Warum?

1. Grund: Sie minimieren Störungen im Bauablauf

Weil Sie im Vorfeld digital simulieren, wie der Bauablauf realisiert wird, minimieren Sie mögliche Störungen oder können diese im Vorfeld schon abwenden. Das spart Ressourcen.

2. Grund: Sie vermeiden eine Überproduktion

Überproduktionen sind teuer. Wenn Sie im Vorfeld genau planen können, welches Material Sie in welcher Menge benötigen, sparen Sie bares Geld. Die Bewehrungspläne sind z.B. noch gar nicht fertig. Und Platz zum Lagern gibt es auch nicht. Es ist doch eher so, dass man mit der Planung dem Baufortschritt oft hinterherhinkt. Nach Bauabschluss wird anschließend viel wieder entsorgt.

3. Grund: Wartezeiten für Mitarbeiter oder nachfolgende Gewerke werden eliminiert

In einer REFA Erhebung wurde z.B. betrachtet, wie viel seiner Arbeitszeit ein Maurer wirklich mit dem Mauern verbringt. Die Auswertung ergab: 32 Prozent. Während der restlichen Zeit ist er damit beschäftigt, Material umzulagern, weil es im Weg steht. Oder Material zu besorgen. Oder andere Dinge zu klären. Also ist er im Endeffekt bis zu 68 Prozent unproduktiv. Lean Management ermöglicht, dass Ihre Mitarbeiter zu 50 Prozent produktiv arbeiten können.

4. Grund: Sie verhindern, dass Ihre Mitarbeiter nicht ausgelastet sind (Unterauslastung)

Ein Bauabschnitt oder Los wird nicht rechtzeitig fertig und Ihre Mitarbeiter müssen warten, bis der nächste Abschnitt weiter geht. So entstehen Leerläufe, die sich in den Kosten widerspiegeln. Lean Construction unterstützt Sie darin, frühzeitig zu erkennen, an welchen Stellen solche Leerläufe entstehen können – so können Sie gegensteuern und vermeiden ungedeckte Personalkosten.

5. Grund: Die Lagerhaltungskosten werden auf ein Minimum reduziert

Ein wichtiger Kostenpunkt ist die Lagerhaltung. Nutzen Sie Lean Construction, kann ein Arbeitsvorbereiter über eine Bauablaufsimulation frühzeitig erkennen, wenn zum Beispiel die Bodenplatte zu früh eingetaktet ist. Ruft der Polier auf der Baustelle Material ab, dann bekommt der Einkäufer zeitnah eine Rechnung mit einem meist engen Zahlungsziel. Mit der Konsequenz, dass Sie unnötig Kapital auf der Baustelle binden. Lean Construction kann das verhindern. Wie in der stationären Industrie geht man auch im Bauwesen dazu über, dass die Lagerhaltung nicht mehr auf der Baustelle bzw. im Bauhof stattfindet.

6. Grund: Lagerbewegungen auf der Baustelle entfallen

Das Unternehmen Würth plant, der Bauindustrie das ​Kanban-System ​zugänglich zu machen. Dafür hat das Unternehmen ein eigenes Forschungsinstitut aufgebaut. Das Ziel ist es, Container mit Werkzeug und Material über Nacht anzuliefern. Dieses wird dann am Tag just-in-time verarbeitet und in der folgenden Nacht wird der Container wieder gegen einen Container für das nächste Arbeitspaket ausgetauscht. So soll in Zukunft immer nur das Material zur Verfügung stehen, welches unmittelbar gebraucht wird – wie im produzierenden Gewerbe.

7. Grund: Schwund durch Lagerhaltung entfällt

„Im Lager liegt noch was, kannst du mitnehmen.“ Je länger Material im Lager oder auf der Baustelle liegt, oder je häufiger dieses umgelagert wird, desto größer ist der Schwund. Stück für Stück wird so teils unbemerkt Material verbraucht, oder unbrauchbar das für ein bestimmtes Projekt vorgesehen war.

Ein typisches Beispiel für die Auswirkungen von Lean Construction: Durch gute Vorbereitungen und reibungslose Arbeitsschritte kann ein Bauprojekt schneller abgeschlossen werden als zuvor. Es sind weniger Nacharbeiten notwendig, wodurch mehr Aufträge angenommen werden können. Insofern erzielen Sie auch einen wirtschaftlichen Mehrwert.

Die Menge des Betons, die Sie benötigen, ändert sich nicht. Effizienter werden Sie durch die Vermeidung von Überproduktion, Schwund und unproduktiven Arbeitszeiten. Ein Kunde konnte bei einem Pilotprojekt unproduktive Arbeitszeiten verringern und dadurch einen hohen sechsstelligen Betrag an Lohnkosten einsparen.

Lean Construction im Bauwesen ist auch für Kleinunternehmer interessant

Im Prinzip ist Lean Construction für Bauunternehmen jeder Größe anwendbar. Selbst die Ansätze von Lean können Kleinunternehmer nutzen. Ein Kunde von NEVARIS hat sein erstes Lean-Pilot-Projekt durchgeführt. Die Mitarbeiter, Nachunternehmer und auch die Entscheider waren am Anfang sehr skeptisch – da stand ein junger Ingenieur vor ihnen und sagte: „Wir planen jetzt Takte.” Später stellten sie fest, dass die Art und Weise, wie der Bauablauf geplant wurde, viel effizienter war. Der überwiegende Teil der Nachunternehmer äußerte sich überaus positiv, dass die Prozesse fließender ineinander laufen, sie eine deutlich höhere Produktivität an den Tag legen konnten und sie deshalb beim nächsten Auftrag gerne wieder dabei sind.

 

Bauunternehmen, die heute auf Lean Construction setzen und ihre Bauprozesse schlanker gestalten, werden die Sieger von morgen sein. Dabei spielt die Größe des Bauunternehmens keine Rolle. Entscheidend ist es, Arbeitsschritte ressourcenschonend zu planen und umzusetzen. Je effizienter Sie arbeiten, desto größer wird Ihr Wettbewerbsvorteil.

Möchten Sie sich und Ihr Bauunternehmen mit meiner Hilfe zukunftsfähig aufstellen? Dann kontaktieren Sie mich. Ich helfe Ihnen gerne weiter!

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Bildnachweise: ljubaphoto/ E+ via Getty Images; dima_sidelnikov/iStock via Getty Images.