Eine gute Auftragslage und trotzdem trübe Stimmung im Baugewerbe: Grund dafür ist der Baustoffmangel. Laut Prognosen für 2023 setzt sich der Trend weiter fort: Es drohen Baustopps. Wie sich der Baustoffmangel entwickelt hat, was er zur Folge hat und wie man dem entgegenwirken kann, das lesen Sie hier.
Die Geschichte des Baustoffmangels
Die Baubranche boomte in den letzten Jahren: Niedrige Arbeitslosenzahlen und eine zufriedenstellende Konjunktur. Niedrige Zinsen und hohe Mieterträge machten den Wohnungsbau attraktiv – sowohl für Privatpersonen für den Eigenbedarf als auch für kommerzielle Investoren.
Doch ab 2020 zeichnet sich ein absteigender Trend ab. Trotz voller Auftragsbücher herrscht trübe Stimmung: Grund dafür ist unter anderem der Baustoffmangel.
2020: Wie alles mit der Coronakrise begann
Eigentlich hat es so ausgesehen, als könne selbst die Coronapandemie der Baubranche nichts anhaben: Allein in Deutschland entstanden 306.000 neue Wohnungen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) prognostizierte für 2021 in diesem Segment Investitionen in Höhe von 265 Milliarden Euro, ein Plus von 3,7 Prozent. Die Baulust privater Häuslebauer sowie der Kommunen und Bauträger schien ungebrochen.
Doch es kam anders als gedacht: „Der plötzliche Anstieg der weltweiten Nachfrage hin zu langlebigen Konsumgütern, elektronischen Artikeln, sowie speziellen medizinischen Produkten hat viele Hersteller von industriellen Vorprodukten an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht. Zudem wurden die globalen Lieferketten als Folge stark veränderter Warenströme vor enorme logistische Herausforderungen gestellt“, so ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Viele Bauunternehmer beginnen, Baumaterial zu horten. Das befeuert die Situation: Unvorhersehbare Preissteigerungen. Trotz voller Auftragsbücher stehen vielerorts die Baustellen still, die Mitarbeiter werden aufgrund von Baustoffmangel in Kurzarbeit geschickt. Andere Betriebe bleiben auf den unkalkulierbaren Preisexplosionen sitzen, da sie nicht im Bauvertrag einkalkuliert waren.
2021: Baumaterial wird knapp
Gefahr droht schließlich auch von einer anderen Seite: Baubetriebe klagen über monatelange Lieferfristen für Baustoffe, die Lieferengpässe werden gravierender.
Die Preise für Baustahl sind seit Jahresbeginn um 40 Prozent, die für Holz um sage und schreibe 400 Prozent gestiegen. Das hat mit dem erhöhten Export heimischer Hölzer, bedingt durch den rasanten Anstieg der Nachfrage aus China und den USA, zu tun. Die Folge ist ein Rohstoffmangel auf den deutschen Märkten und eine sprunghafte Verteuerung.
Zudem gibt es in deutschen Wäldern viel Schadholz durch Trockenheit, Sturmschäden und vor allem durch den Borkenkäferbefall. Doch selbst minderwertiges Fichtenholz wird allmählich knapp. Zusätzlich befeuern Schäden am ausländischen Baumbestand die Holzknappheit noch weiter.
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Mehr InformationenDie Prognose für 2022 von Timo Wollmershäuser, Konjunkturexperte des ifo-Instituts, lautet: „Der Materialmangel sollte dann überwunden sein. Die Firmen können dann ihre Aufträge endlich angehen und auch der Export sollte wieder deutlich anziehen.“
2022: Baustoffmangel hält an
Die für 2022 prognostizierte Entspannung des Baustoffmangels bleibt aus. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum wird nach unten korrigiert – von 5 Prozent auf 3 Prozent. Die vierte Coronawelle sowie anhaltende Lieferengpässe verschieben die erwartete Entspannung in den Lieferketten nach hinten.
Weder Material noch Leute, die es einbauen können – die Baubranche rechnet inzwischen mit Baustopps. „Wir gehen in eine Winter-Rezession“, sagt Timo Wollmershäuser.
Die deutschen Baufirmen leiden verstärkt unter Versorgungsengpässen. Das geht aus den Umfragen des ifo Instituts im März hervor: Im Hochbau meldeten 37,2 Prozent der Teilnehmenden Beeinträchtigungen – im Februar waren es noch 23,5 Prozent. Auch im Tiefbau verschlechtert sich die Lage. 31,5 Prozent der Betriebe leiden im März 2022 unter Lieferengpässen, wobei der Anteil im Vormonat noch bei 17,5 Prozent lag.
„Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu einer hohen Unsicherheit mit Blick auf die Lieferketten geführt“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. Beide Länder sind wichtige Lieferanten von Baustahl und Erdölprodukten. Lieferschwierigkeiten gibt es auch bei Bitumen. „Mancherorts klagen die Betriebe auch über einen Mangel an Ziegelsteinen. Dämmstoffe waren bereits vor Kriegsbeginn vielerorts knapp, aber auch hier hat sich die Situation weiter verschlechtert, sagt ifo-Forscher Felix Leiss.
2023: Prognose für den Baustoffmangel
Die Prognose für den Baustoffmangel 2023 von Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturprognosen des Ifo-Instituts, lautet:
„Die Kürzungen der Gaslieferungen aus Russland im Sommer und die dadurch ausgelösten drastischen Preissteigerungen verhageln die wirtschaftliche Erholung nach Corona. Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,5 Prozent Inflation.“
Eine genaue Prognose lässt sich aktuell kaum treffen: Es kommt vermehrt dazu, dass Bauherren kalte Füße bekommen und deshalb ihren Traum vom Eigenheim erstmal begraben. Bereits erschlossene Baugrundstücke werden zurückgegeben und bestellte Waren beziehungsweise Dienstleistungen storniert. So werden künftige Projekte nur noch schwer zu kalkulieren.
Wie wirkt sich der Baustoffmangel 2023 auf die Baubranche aus?
Noch verfügen viele Bauunternehmen über einen Polster an Aufträgen, doch das bequeme Abarbeiten von diesen gestaltet sich als große Herausforderung.
Lieferengpässe von Baustoffen verzögern Projekte
Lieferschwierigkeiten gehören für viele Unternehmen inzwischen leider zum Alltag. Gerade kleine und mittelständische Bauunternehmen und Handwerker bekommen die Konsequenzen deutlich zu spüren.
Es ist paradox: Man sitzt vor vollen Auftragsbüchern, kann die Projekte jedoch nicht abarbeiten, da die benötigten Baumaterialien nicht zu beschaffen sind. Zimmerer, Schreiner und Dachdecker versuchen vergeblich, an benötigtes Material zu kommen. Mittlerweile sind lange Lieferzeiten von keine Seltenheit mehr. Bauprojekte werden gestoppt, die Angst vor Kurzarbeit ist allgegenwärtig.
Gleichzeitig mangelt es seit Beginn der Coronapandemie ebenso an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Erst bleiben aus Angst vor einer möglichen Corona-Infizierung bleiben die Angestellten zu Hause oder sind tatsächlich erkrankt und fallen für mehrere Tage aus. Dann ist der Krankenstand im dritten Quartal 2022 auf Rekordhöhe. Dies verzögert den Abschluss eines Projektes zusätzlich.
Preissteigerungen in Folge des Baustoffmangels
Die Preisentwicklung von Baustoffen bleibt unkalkulierbar, Konflikte mit Bauherren sind unvermeidbar. Um nicht auf den explodierenden Baustoffpreisen sitzen zu bleiben, geben Baufirmen und Lieferanten teilweise nur noch tagesaktuelle Angebote ab oder machen überhaupt keine Preiszusagen mehr.
Wer jetzt baut, muss sich auf Leistungsverträge mit Preisgleitklauseln einstellen. Und die Lage spitzt sich weiter zu: Aufgrund der steigenden Energiepreise kündigen Hersteller und Lieferanten neue Preissteigerungen an.
Lesetipp: Wie es aktuell um die Baubranche steht, lesen Sie in unserem Artikel „Entwicklung der Baubranche“ mit Prognosen für 2023.
Baumaterial knapp? Das können Sie jetzt tun
Um trotz der Materialknappheit am Bau weiterarbeiten zu können, gilt es, eine andere Strategie zu fahren und längerfristig zu kalkulieren.
Doch wie kann der aktuellen Situation entgegengewirkt werden? Wir haben drei Tipps, um gegen die Materialknappheit am Bau vorzugehen.
1. Lokale Produktion
Eine wichtige Maßnahme gegen den Baustoffmangel ist die Ankurbelung der lokalen Produktion von Baustoffen. Um einen Stillstand auf den Baustellen und einer Pleitewelle der Betriebe entgegenzuwirken, soll Deutschland wieder weitgehend unabhängig von importierten Baustoffen werden. Kies, Sand und Gips sollen im eigenen Land abgebaut werden.
2. 3R – Recycling, Re-Use und Reduce
Der Begriff 3R umfasst die drei Themen Recyceln, Reaktivieren und Reduzieren. Sie bilden die Grundvoraussetzung für ein zirkuläres Bauen – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.
Die bebaute Umwelt ist heutzutage unser größtes Rohstofflager. Baustoffe sind Wertstoffe und demzufolge möglichst effektiv einzusetzen: Je mehr nachhaltige Baustoffe verbaut werden, desto besser lassen sich diese voneinander trennen und anschließend wiederverwenden, wiederverwerten oder ordnungsgemäß entsorgen.
- Recycling = Recyceln
Nach einem Recyclingprozess stehen die Baustoffe dem industriellen Kreislauf weitgehend uneingeschränkt wieder zur Verfügung. - Re-Use = Reaktivieren
Moderne Baustoffe müssen in einer Art und Weise verbaut werden, die dafür Sorge trägt, dass die Baumaterialien wiederverwendet und erneut im Kreislauf aufgegriffen werden können. - Reduce = Reduzieren
Durch die gezielte Verwendung weniger Materialgruppen und einem effektiven Einsatz von Baustoffen kann der Aufwand für Reparaturen und Instandhaltung optimiert werden.
3. Nutzung von Ersatzbaustoffen
Eine weitere Option in Zeiten des Baustoffmangels, ist die Verwendung von Ersatzbaustoffen. So kommen weniger Primärbaustoffe zum Einsatz und im gleichen Zuge werden natürliche Ressourcen geschont.
Durch die vom Bundesrat beschlossene Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz gelten erstmals deutschlandweit einheitliche Vorgaben für den Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe. Einer einfachen und rechtssicheren Verwendung von qualitätsgeprüften Ersatzbaustoffen steht damit nichts mehr im Wege.
Fazit: Baustoffmangel erfordert einkaufsorientierte Materialwirtschaft
Baumaterialien bleiben weiterhin knapp: In diesen turbulenten Zeiten wird eine einkaufsorientierte Materialwirtschaft immer wichtiger. Durch die strategische Justierung von Bestellmengen und Bestellterminen können Einstands-, Lager-, und Bestellkosten ganzheitlich minimiert werden. Nicht nur größere Bauunternehmen, auch kleinere Bau- und Handwerksbetriebe profitieren auf lange Sicht von dieser Lösung.
Doch wie geht es der Baubranche wirklich? Weitere Zahlen zur Entwicklung und Prognose der Bauwirtschaft können Sie in unserem Artikel „Entwicklung der Baubranche“ nachlesen.
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